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KELTISCHE UND RÖMISCHE SCHMIEDETECHNOLOGIE IM UMFELD DES OPPIDUMS „HUNNENRING“ BEI OTZENHAUSEN, KR. ST. WENDEL, SAARLAND MARIA SMETTAN1), SABINE HORNUNG1) & ANDREAS KRONZ2) 1) Institut für Vor- und Frühgeschichte, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Schillerstrasse 11, Schönborner Hof - Südflügel, D-55116 Mainz, hornusa@uni-mainz.de/ smettan@students.unimainz.de 2) Abteilung Geochemie des Geowissenschaftlichen Zentrums, Georg-August-Universität Göttingen, Goldschmidtstrasse 1, D- 37077 Göttingen, akronz@gwdg.de Die Region um die früh- und spätlatènezeitliche (4. bzw. 2./1. Jh. v. Chr.) Befestigung „Hunnenring“ bei Otzenhausen mit ihren reich ausgestatteten Fürstengräbern des 5./4. Jahrhunderts v. Chr. wird von der archäologischen Forschung häufig als Paradebeispiel eisenzeitlicher Zentralisierungsprozesse angeführt. Seit den wegweisenden Ausführungen von J. Driehaus (1965) zur Frage eines räumlichen Bezuges von reichen Bestattungen und Eisenerzvorkommen hat man die Entstehung von Eliten häufig mit der gezielten Ausbeutung natürlicher Ressourcen und in besonderem Maße mit der Eisenherstellung in Verbindung gebracht. Auf diesem Wege seien auch die peripher gelegenen Mittelgebirgsregionen in keltischer wie römischer Zeit zu einigem Wohlstand gelangt. Im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit diesem, aus heutiger Sicht stark vereinfachenden Forschungspostulat, wurden Schlackenfunde vom „Hunnenring“ selbst und dem in unmittelbarer Nähe gelegenen römischen vicus „Spätzrech“ untersucht. Ein Teilziel dabei war, die Frage nach Kontinuitäten oder Diskontinuitäten von der latènezeitlichen Metallurgie hin zu derjenigen der folgenden römischen Kaiserzeit zu klären. Basis der Untersuchungen war zunächst eine makroskopische Beurteilung der ausgewählten Schlackenfunde in ihrem ursprünglichen sowie nach Möglichkeit auch in aufgesägtem Zustand. Aufgrund des recht hohen Anteils an unaufgeschmolzenem Fremdmaterial in den Schlacken dienten Bohrkerne der Gewinnung von reinen, die Schmelze repräsentierenden Fraktionen. Diese wurden gemahlen, homogenisiert und nach erneutem Schmelzen und Abschreckung zu Glas nach einem Verfahren von Kronz (1994) mittels wellenlängendispersiver Mikrosonde (WD-EMS) pauschalchemisch analysiert. Phasenidentifikation, Gefügebeurteilung und Mikrobereichsanalyse (WD-EMS) erfolgten an polierten Präparaten. Die möglichst nachweisstarke Analyse siderophiler Elemente (P, Co, Ni, Cu, As, Sn) in eingeschlossenen Metallpartikeln diente einerseits dem Nachweis unterschiedlicher Rohstoffquellen, und war andererseits auch im Hinblick auf technologische Besonderheiten von Interesse. Im Fundbestand ”Hunnenring” und ”Spätzrech“ konnten ausschließlich Schlacken identifiziert werden, die anhand folgender Merkmale Schmiedeprozessen im weitesten Sinne (Reduktionsschmieden nach Keesmann 1989) zuzuordnen sind: 1. Von beiden Fundplätzen liegen typische handtellergroße Kalottenformen PCB-Schlacken (plano convex bottom) bzw. konkav-konkave Hohlkalotten vor, wobei sich ein Großteil der PCB-Schlacken/ Kalottenschlacken durch eine „Ausgussnase“ auszeichnet. 2. Die herausgetrennten Scheiben werden in der Regel durch einen geschichteten, heterogenen Aufbau gekennzeichnet und enthalten oft viele eingeschlossene, teils aufgeschmolzene Gesteinsfragmente. In der lichtmikroskopischen Betrachtung kann diese generell heterogene Phasenzusammensetzung auch für kleinflächige Bereiche beobachtet werden. 3. Der in einigen Schlacken hohe Phasenanteil an Leucit resultiert bei gleichzeitig pauschalchemisch höheren K2O-Al2O3-Verhältnissen aus einem hohen Ascheeintrag. 4. Analog dazu sind extrem Wüstit- und Magnetit-reiche Schlacken als Schmiedeschlacken zu werten. 5. Hammerschlag, welcher in mehreren Proben zu finden war, entsteht zweifelsfrei beim Schmieden und besitzt ein helles, bandartiges Aussehen. 6. Erhöhte Buntmetallgehalte in den Eisenschlacken können als Hinweis auf eine spezialisierte Schmiedetechnologie gewertet werden. Eisen-Kupfersufide und Bronze treten als Einschlüsse auf. Abb.1: Pauschalchemische Zusammensetzung der Schlacken im Systen SiO2-(FeO+MnO)-Al2O3. Die Datenpunkte liegen im typischen Variationsbereich fayalitischer Schlacken Abb.2: Variation der sideriphilen Elemente Cu,Ni,Co in Metalleinschlüssen der Schlacken. Pauschalchemisch (Abb. 1) und im Phasenbestand ähneln die Schmiedeschlacken typischen fayalitischen Verhüttungsschlacken, tendieren jedoch zu generell höheren FeO-Gehalten und einem erhöhten Phasenanteil von Wüstit (FexO, 0,9<x<0,97). Sowohl im Fundmaterial des Hunnenrings, als auch bei den Exemplaren vom Spätzrech fehlten Schlacken, die eindeutig dem Verhüttungsprozeß zuzuordnen sind. Hohe Gehalte (bis in den Prozentbereich) und eine hohe Variabilität der Nickel-, Kobalt- und Arsengehalte in den Metalleinschlüssen selbst innerhalb einer Probe deuten auf eine gezielte Verwendung als Hilfsstoff bei der Feuerverschweißung hin. Die genannten drei Elemente fungieren dabei als Oberflächenmodifizierer des Eisens. Die Phosphorgehalte in den Metalleinschlüssen, sowohl in den keltischen, wie auch in den römischen Schlacken übersteigen nur in Ausnahmefällen 0,02 Masse-%, was mit moderaten Arbeitstemperaturen und der hohen FeO-Aktivität der Schmelzen in Einklang steht. Für die Metalleinschlüsse der Schlacken des „Spätzrech“ sind Mischungstrends im System Cu-Ni-Co erkennbar (Abb. 2), die auf mindestens zwei Metallquellen hinweisen. Das Metall des römischen vicus stammt aus anderen Quellen als das des Hunnenrings. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß anhand der Schlackenfunde von Hunnenring und Spätzrech sowohl für die späte Latènezeit, als auch für die römische Kaiserzeit der Nachweis komplexer Schmiedetechnologie möglich ist, die durch den Einsatz von Buntmetallen als Oberflächenmodifizierer beim Feuerverschweißen gekennzeichnet wird. Der Einsatz von Buntmetallen in keltischer Schmiedetechnologie bis hin zu Hartlotverfahren ist kein Novum und für weitere Schmiedehütten bekannt (z.B. Keesmann und Heege, 1990). Hinsichtlich der Nutzung bestimmter Erzvorkommen deuten sich zumindest teilweise Diskontinuitäten an, da in römischer Zeit mindestens eine neue, kobaltreiche Eisenerzlagerstätte erschlossen wurde. Im Hinblick auf die eingangs erwähnte These von Driehaus sind die Ergebnisse ernüchternd und vermögen die Lückenhaftigkeit des bisherigen Forschungsstandes aufzuzeigen. Gerade zu den Anfängen der metallurgischen Prozeßkette – der Frage nach Rohstoffen und Verhüttungsprozess – sind nach wie vor noch keine näheren Aussagen möglich. Hier besteht auch in Zukunft einiger Forschungsbedarf. Driehaus, J. (1965): „Fürstengräber“ und Eisenerze zwischen Mittelrhein, Mosel und Saar. Germania 43, 1965, 32-49. Keesmann, I. (1989): Chemische und mineralogische Detailuntersuchungen zur Interpretation eisenreicher Schlacken. Archeometallurgy of Iron. International Symposium of the "Comité pour la Sidérurgie ancienne de l'UISPP", Liblice, 5.-9. Okt. 1987, Hrsg.: R. Pleiner, 17-33, Prag. Keesmann, I. & Heege, A. (1990): Archäometallurgische Untersuchungen an Material der Ausgrabung 1984 am „Steinbühl“ bei Nörten-Hardenberg, Landkreis Northeim. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 59, 87-109, Hildesheim. Kronz, A. (1994) Pauschalchemische Analyse mittels Elektronenstrahlmikrosonde am Beispiel eisenreicher Schmelzpräparate. Berichte der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft, Beih z Europ J Mineral, 6, 1994, No 1, 158